
Wenn Chemnitz kulturelle Events oder Projekte auf die Beine stellt, mischt Robert Verch mit ziemlicher Sicherheit mit. Er ist Gründer vom Klub Solitaer, einem Kulturverein, der künstlerische Werkstätten und Produktionszonen betreibt. Und organisiert daneben selbst auch Veranstaltungen. Seine Tipps zu internationalen Restaurants, Off-Spaces und Hotels in Chemnitz findest du hier.
Robert Verch ist gebürtiger Berliner. Außerdem Künstler, Event-Veranstalter, Designer, Vernetzer, Gründer des Kulturvereins Klub Solitaer und vor allem: Chemnitz-Experte. In welchen Off-Spaces die Kreativcrowd von den neuesten Kunstprojekten tratscht, in welcher Pizzeria sie danach Margarita und Limonade bestellt – he knows! Was du laut ihm in Chemnitz in Sachsen unbedingt brauchst: ein Herz für Designgeschichte und ihre Kontraste. Ihn faszinieren zum Beispiel die Ideen der späten Moderne in der Stadt, das Pilonendach des Busbahnhofs etwa. Im Städteduell Berlin gegen Chemnitz gewinnt für Verch auf jeden Fall letztere: „Vieles hier ist im Entstehen und auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen. Das macht den Reiz aus“. Seine liebsten Lokale, angesagte Viertel, Events und ein bisschen Stadtgeflüster gibt’s im Interview! Fährst du gern mit dem Rad? Hier geht es zu 7 super Radtouren in Sachsen.
Insidertipps in Chemnitz
In welcher Hood tut sich in Chemnitz gerade viel? Wo sind die kreativen Ecken der Stadt?
Insbesondere um zwei Straßen entwickelt sich gerade eine Menge. Das ist einmal der Brühl und einmal die Zietenstraße. Erstes ist ein frisch herausgeputztes familienfreundliches Quartier mit Cafés und einigen feinen Geschäften. Letzteres ist der Bereich in dem sich der Kulturraum Lokomov, die Off-Bühne Komplex (Zietenstr. 32) sowie die Atelierhäuser und Ausstellungsräume unseres Vereins Klub Solitaer (Augustusburger Str. 102) befinden. Hier gibt es auch einen Nachbarschaftsgarten im Hinterhof, einen Bürgerpark und immer wieder künstlerische Interventionen. Nach teilweise jahrzehntelangem Leerstand wird die Straße von kleinen Initiativen wachgeküsst.
Welche jungen Kreativen setzen in der Stadt gerade neue Impulse?
Spannend ist, was die Bordsteinlobby (@bordsteinlobby) auf die Beine stellt, die Off-Bühne Komplex zeigt auch immer wieder echte Perlen. Online folge ich auch den Leuten vom Bikini Kommando (@bikinikommando).
In welchem Lokal macht die Klub Solitaer-Crew Mittagspause?
Die kleine Pizzeria Augusto ist wie eine Kantine des Kreativkiezes. Hier kennen sich alle, die zum täglich wechselnden Mittagstisch kommen. Es ist sehr familiär und unkompliziert. Gerne gehen wir aber auch zum Peace Food (Uhlandstr. 30). Das ist eigentlich ein Unverpacktladen, der aber zudem sehr leckeres, veganes Mittagessen bietet.
Mit welchen internationalen Restaurants kommt Chemnitz an Foodie-Hotspots wie Berlin ran?
Schalom. Neben dem super Essen gibt es hier auch tolles selbstgebrautes Bier. Das Simcha ist kosher und wird von hier deutschlandweit an andere Restaurants geliefert. Und obwohl ich eigentlich kein Biertrinker bin, bekomme ich direkt Durst.
Welche Restaurants sind zurzeit deine liebsten in der Stadt?
Ich gehe nicht nur zum Mittag gerne ins Augusto (Augustusburger Str. 102). Es gibt dort hauchdünne und echte italienische Pizzen mit guten Zutaten. Absacken kann man danach im Lokomov direkt nebenan auf gemütlichen DDR-Möbeln. Oder ein paar 100 Meter weiter im Empfang - dem heimlichen Backstagebereich des Chemnitzer Schauspielhauses.
Schauen wir in Sachsens Eventkalender: Mit welchen super Veranstaltungen kann das Land international locker mithalten?
Ehrlich gesagt haben wir hier in Chemnitz vielleicht noch ein wenig Aufholbedarf. Allerdings findet sich in den hiesigen Festivals wie zum Beispiel den Begehungen (begehungen-chemnitz.de), der Biennale Pochen (pochen.eu) oder unserer Reihe Dialogfelder etwas, was vielen großen Formaten abhanden kommt: das Informelle und die familiäre Atmosphäre, die dann natürlich auch die Gäste zu spüren bekommen.
Apropos selbst organisieren: Welche Events machen dir da besonders viel Spaß?
Ich freue mich, wenn es gelingt, Begegnungszonen für unterschiedliche Menschen zu schaffen. Denn der Kiez in dem wir aktiv sind, ist sehr heterogen. Zuletzt haben wir zum Beispiel den Private. Collectors. Room. eröffnet. Eine Galerie für nachbarschaftliche Kunstvermittlung. Hier werden Werke von über 40 KünstlerInnen aus unserem Umfeld, darunter namhafte Positionen, gegen Geschichten unentgeltlich an die Nachbarschaft vermittelt.
Off-Spaces in Chemnitz: Welche müssen wir kennen?
Ein idealer Anlaufpunkt sind das Lokomov (Augustusburger Str. 102) und das Weltecho. Beides sind Kulturräume, wo man an der Bar sicher jemanden trifft der oder die dir verraten kann in welchem unsanierten Haus das nächste Kunstevent stattfindet oder welche junge Initiative morgen etwas im öffentlichen Raum veranstaltet.
Du hast unter anderem Gestaltung an der Bauhaus-Uni Weimar studiert. Hast du in Chemnitz/Sachsen Tipps für Design-Affine?
In meinem Studium habe ich den eigentlichen Vordenker des Bauhauses Henry van de Velde schätzen gelernt. Die Chemnitzer Villa Esche markiert einen Durchbruch in seiner Karriere und ist sehr sehenswert. Hier befindet sich übrigens auch ein gutes Restaurant in der ehemaligen Garage. Überhaupt wird die Stadt Chemnitz ihrem Slogan Stadt der Moderne auf eine überraschende Art gerecht. Villa Esche, Kaufhaus Schocken, das Archäologiemuseum smac (Stefan-Heym-Platz 1) und der ein oder andere Industriebau stammen aus der klassischen Moderne. Nicht unerwähnt bleiben soll auch der Kassberg - ein ganzes Viertel voll mit Jugendstilbebauung und tollen Kuchen bei Emmas Onkel (Weststr. 67) sowie originellen Souvenirs und schönen Dingen in der Haamit Papeterie (Ulmenstr. 61).
An welche Natur-Spots in und rund um Chemnitz zieht es dich zum Kopfauslüften?
Da fahre ich nach Augustusburg. Drahtseilbahn, Skihang, Sommerrodelbahn, die Augustusburg und die Landschaft drumherum sind an sich schon sehenswert. Mein Lieblingsort ist aber der Anna-Garten. Das ist ein liebevoll angelegter öffentlicher Kräutergarten, in dem du dich bedienen kannst. Er ist malerisch unterhalb der Burgmauern gelegen mit einem tollen Blick in die Weite. Und da ich Kuchen eigentlich noch mehr mag als die Natur, gehe ich dann noch ins Röstcafé (Schloßstr. 2) direkt am Markt.
Eine Unterkunft in Chemnitz, originell, weltoffen, sympathisch – welche fällt dir spontan dazu ein?
Das Boardinghouse Alexxanders, und wer es etwas spezieller und spleenig mag, kann im Motel des Meyers Diner (Zwickauer Str. 128a) absteigen.