#Germany30reunified – Als die Mauer in Berlin fiel, war Franziska Holstein gerade einmal elf Jahre alt. Heute lebt und arbeitet sie als Malerin in Leipzig. Die Insiderei begleitet sie zu ihren liebsten Clubs, Bars, Museen und Restaurants in Sachsen.
Welche Erinnerungen hast du an den Fall der Berliner Mauer?
Es war Ausnahmezustand, den ich neugierig wahrnahm, damals aber nicht wirklich verstand. Ich war damit beschäftig, Fahrradfahren zu lernen. Als die Grenzen geöffnet wurden, haben wir im Sommer darauf unsere erste Radtour durch Dänemark gemacht.
Wo hat sich Sachsen seitdem am meisten verändert?
Total verändert hat sich das Braunkohlenbergbaugebiet im Leipziger Süden. Wo in den 1980ern noch Dörfer waren, die umgesiedelt wurden, arbeiteten später riesige Bagger in mondähnlichen Landschaften. Nach und nach entstanden Seen und Naherholungsgebiete.
Von welchen neuen Openings in Leipzig spricht zurzeit die ganze Stadt?
Ich gehe diese Woche ins Museum der bildenden Künste zur Ausstellungseröffnung von Paule Hammer. Ich bin gespannt auf seine frisch gebaute begehbare Skulptur im Café IDEE, das KOPFKINOKAPUTTNIK, in der wechselnde Aktionen stattfinden werden. Ich bin großer Fan seiner Arbeiten. Zusätzlich zu empfehlen, da recht unterhaltsam: sein Podcast mit Florian Hesselbarth: Warum ist das Leben so lang?
Welche Gegend entwickelt sich gerade zum kreativen Hotspot?
In Lindenau als auch im Osten passiert sehr viel. Hier gibt es noch Gegenden, die bezahlbar sind. Es eröffnen unzählige Kneipen, Cafés, Projekträume. Das Bistro 21 von Christian Bär und Manuel Schneidewind finde ich super. Das ist ein Ausstellungsraum in einem ehemaligen Ladengeschäft, mit Schaufenster, kleiner Theke und hellgrauen Dielen. Between you & me von Charlotte Herzig und Maria Schumacher habe ich besonders gemocht. Die Arbeiten waren lässig, leicht und dennoch präzise erdacht, gemalt, gebaut.
Wo tauchst du am liebsten ins junge, künstlerische Leipzig ein?
Ich mag die Klassiker. Zentral im Musikerviertel, neben dem Literaturinstitut und der Kunsthochschule, ist die Galerie für zeitgenössische Kunst, eine spannende Institution mit wechselnden Ausstellungen in einer großbürgerlichen Villa. Sie eröffnete Ende der 90er und seit 2004 gibt es zusätzlich einen Neubau mit veränderbarer Raumstruktur, ebenso ein Café. Es wird alle drei Jahre umgestaltet. Das jetzige, das Kapital, wurde von Markus Dreßen entworfen. Auch dort: das Tschau Tschüssi von Miriam Paulsen. Das ist ein Laden für tolle Sachen, kleine und größere Labels, Design, Accessoires, Magazine und Bücher, T-Shirts, Taschen, Geschenke. Direkt nebenan, im Garten der Galerie für Zeitgenössische Kunst, befindet sich das Backstein (Grassistraße 4). Da gibt es köstliche Brote und Baguettes, zur Mittagszeit Focaccia und weitere Backwaren. Das Angebot wechselt je nach Saison.
Welches Restaurant in Sachsen liebst du für besonderes Essen und einen besonderen Look?
Ich liebe das Zest, ein veganes Restaurant auf der Bornaischen Straße. Es ist klein und sehr gemütlich mit viel Holz eingerichtet. Eigentlich schmeckt dort alles prima. Die Burger sind legendär. Auch in dieser Gegend ist das Deli (Wolfgang-Heinze-Str. 12), ein preisgünstigerer Mini-Imbiss mit leckeren, auch ausschließlich pflanzlichen Speisen und fantastischem Kuchen.
In welcher Bar triffst du befreundete Künstler auf Drinks am Abend?
Im Rudi bin ich gern, tagsüber oder abends. Auf eine Tasse Kaffee, Bier oder einen der köstlichen Cocktails.
Du feierst mit deinen Freunden eine erfolgreiche Vernissage. Welchen Dancefloor peilt ihr an?
In Leipzig gibt es eine sehr aktive Clubszene, Orte mit langer Tradition und neue, ebenso nichtkommerzielle Open Air Veranstaltungen, auch Festivals. Ich bin immer noch und schon seit Jahren gern im Conne Island. Das ist ein selbstverwaltetes linkes Jugendkulturzentrum in Connewitz. Es gibt eine Bar, im Sommer Kino und Tischtennis, eine Skateboard Rampe, Konzerte.
Welche Galerie und Museen besuchst du regelmäßig?
Die Spinnereirundgänge gehören zum Standardprogramm. Ebenso das jährlich im Oktober stattfindende, von der Künstlerin Anna Schimkat mitinitiierte Lindenow. In den Stadtteilen Plagwitz, Lindenau und Leutzsch wird an drei Tagen zeitgenössische Kunst, sowohl in den kontinuierlich arbeitenden Kunsträumen, als auch an unkonventionellen und ungewohnten Orten gezeigt. Besonders für Gäste der Stadt ist ebenso das G2 zu nennen, eine private museal präsentierte Sammlung zeitgenössischer Kunst mit Leipzigschwerpunkt (Dittrichring 13).
Dich zieht es in die Natur. Wohin geht dein Ausflug?
Leipzig ist sehr grün, mich zieht es oft an die Seen. Mit dem Zug kann man aber auch von hier aus in zweieinhalb Stunden in der Sächsischen Schweiz sein, einen Tag wandern und abends zurückfahren oder, was ich unbedingt mal machen will, in einer Höhle übernachten. Die Landschaft ist grandios. Am besten sind natürlich die Ausblicke von oben. Was am Elbsandsteingebirge auch praktisch ist, dass es unterschiedlich schwer begehbare Wege gibt. Je nach Kondition kann man mit nur leichtem Anstieg eher spazierengehen oder richtig klettern.
In welcher Boutique hast du zuletzt ein Lieblingsteil gekauft?
Es gibt schöne Läden in Leipzig. An dieser Stelle möchte ich aber besonders den Lubok Verlag von Christoph Ruckhäberle erwähnen, in dem originalgrafische Bücher mit Linolschnitten zeitgenössischer Künstler und ausgezeichnete Kataloge veröffentlicht werden. Er ist oft auf Messen präsent, ansonsten online. Im Moment mein Favorit: Dünner Pelz - ein Anfang des Jahres herausgegebenes Künstlerbuch von Benjamin Dittrich.
Freunde besuchen dich in Leipzig und fragen nach einem Hotel-Tipp – welches empfiehlst du?
Ich würde die Villa Hasenholz vorschlagen, wo die Zimmer einfach und mit Hingabe eingerichtet und die Preise fair sind. Das Haus hat einen idyllischen Garten mit kleinem Ausflugslokal und die Pension befindet sich in einer meiner Lieblingsgegenden, im Leutzscher Wald.
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