Insidertipps Sachsen-Anhalt: Anke John

1989 war ich selbst gerade neun Jahre alt, sodass ich den Mauerfall eher aus zweiter Hand, über meine Eltern, miterlebt habe. Meine Eltern sind regelmäßig zu den Montagsdemonstrationen gegangen, die auch in Dessau stattfanden. Es lag ein gewisses Kribbeln in der Luft, eine gewisse Unruhe. Als dann am 9. November tatsächlich die Mauer fiel, hatten wir gerade Besuch von Verwandten „aus dem Westen“ bei uns. Wir sahen es in den Nachrichten. Erst blieben alle ganz still. Dann herrschte auf einmal Geschrei und Freude. Die Nachbarn kamen dann auch zu Besuch und es wurde den ganzen Abend gefeiert.

Über die letzten Jahre konnte ich eine städtebauliche Entwicklung beobachten, im Zuge derer viele Groß- und Kleinstädte den neuen Anforderungen entsprechend umgestaltet wurden. Besonders gelungen ist der Strukturwandel in der Region Bitterfeld. Nach dem Zusammenbruch der Chemieindustrie in den 1990er Jahren galt es, neue Wege zu finden. Ein neuer Industriepark entstand. Der ehemalige Braunkohletagebau wurde geflutet und an der Goitzsche entstand eine Seenlandschaft, die zum Angeln, Wassersport und Baden einlädt. Auf mehreren Rad- und Wanderwegen kann man die Goitzsche umrunden oder auch mit dem Boot darauf fahren und sich so ein Bild davon machen, wie die Natur das ehemalige Industriegebiet zurückerobert. Das Wahrzeichen der Goitzsche ist der Pegelturm (Muldestausee). Entlang der Promenade dort laden Cafés und Restaurants zum Verweilen ein. Nicht weit davon entfernt wurde ein weiterer ehemaliger Braunkohletagebau, Ferropolis bei Gräfenhainichen, zu einer Freilichtbühne umgebaut. Hier finden über das Jahr verteilt mehrere Musikfestivals, aber auch Theateraufführungen statt.

Das war ganz klar die Eröffnung des Bauhaus Museums in Dessau. Endlich kann die umfangreiche und hochwertige Sammlung der Stiftung Bauhaus der Öffentlichkeit angemessen gezeigt werden. Sie umfasst nicht nur die bekannten Designklassiker, wie die Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer, sondern auch viele, noch kaum beachtete Arbeiten von Studenten, wie beispielsweise Tapetenentwürfe für die Firma Rasch, die nie in die Produktion gegangen sind. So wird der Blick auf das Bauhaus als Experimentierfeld, als Laboratorium, gelenkt.

Das Zentrum des Wirkens des Bauhauses in Sachsen-Anhalt ist natürlich Dessau. Die Bauhausbauten wurden für das Jubiläum noch einmal renoviert und kuratorisch neu bespielt. Der Höhepunkt war die Eröffnung des Bauhaus Museums, die auch in ein dreitägiges Stadtfest eingebunden war. Dieses Bauhausfest, bei dem vor allem Studenten verschiedener Kunsthochschulen und junge Künstler ihre Werke präsentieren, wird jedes Jahr am ersten Septemberwochenende gefeiert.

Ein Treffpunkt, nicht zuletzt wegen der Nähe zur Hochschule Anhalt, ist das Café Bistro im Bauhaus. Stefan Serfling hat ein Originalrezept von Paul Klee in seine Speisekarte aufgenommen: Schinkennudeln. Man kann aber auch einfach nur mit einem Getränk in der Lounge entspannen.

Eines der angesagtesten Restaurants in Dessau ist Tobi ornot ToBe. Hier wird kreative Küche in modernem, bauhausaffinem Ambiente geboten. Chefkoch Tobias Felger kocht originelle Gerichte, die nicht nur köstlich sind, sondern auch unkonventionell angerichtet. Die Rezepte sind von Bauhausmeistern, wie zum Beispiel Johannes Ittten inspiriert. Dazu empfiehlt der Chef persönlich den passenden Wein.

Hannes Schatz, Küchenmeister im Hugos, kocht mit regionalen und saisonalen Zutaten. Sein Rote-Bete-Schnitzel mit Kartoffel-Birnen-Salat gewann gerade den Kochwettbewerb für das Regionalgericht 2019.

Ganz oben stehen die Bauhausbauten von Walter Gropius in Dessau: Das Bauhaus (Gropiusallee 38), die Meisterhäuser (Ebertallee 57), das Kornhaus (Kornhausstraße 146), das historische Arbeitsamt (August-Bebel-Platz 16) und die Siedlung Törten (Kleinring 5). Die Experimentelle Fabrik in Magdeburg (Sandtorstraße 23) ist ein modernes, anwendungsorientiertes Forschungszentrum. Die Werkssiedlung in Piesteritz (Am Dreieck 4) oder auch die Siedlung Zickzackhausen in Bernburg (Magdeburger Chaussee) zeigen Ideen moderner Wohnsiedlungen. Und die Grüne Zitadelle in Magdeburg soll nach Wunsch ihres Architekten Friedensreich Hundertwasser eine Abkehr von den rationellen Häusern und stattdessen eine Oase für Mensch und Natur sein.

Rund um Dessau liegen die Parkanlagen des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches, die Fürst Franz von Anhalt als erste englische Landschaftsgärten auf dem europäischen Festland anlegen ließ. In verschiedenen Gartenbildern ließ er Reiseerinnerungen an seine Grand Tour, die ihn über Italien, Frankreich und Holland führte nachbauen. So findet sich in den Wörlitzer Anlagen ein voll funktionstüchtiger künstlicher Vulkan, der dem Vesuv nachempfunden ist. So kann man beim Spazieren durch die Gärten eine kleine Europareise unternehmen.

Das Hotel Sieben Säulen liegt nicht nur direkt gegenüber der Meisterhäuser, sondern hat sich in seiner Ausstattung auch ganz dem Stil des Bauhauses verpflichtet.